Gutachterliche Risikoeinschätzung bei Sexualstraftätern : Anwendbarkeit von PCL-SV, HCR-20+3 und SVR-20 = Risk assessment of sex offenders in a German-speaking sample : Applicability of PCL-SV, HCR-20+3, and SVR-20

Dietiker, J. ; Dittmann, V. ; Graf, M.

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    Zusammenfassung: Relativ hohe Rezidivraten bei Sexualstraftätern, steigender Bedarf an forensischen Prognosegutachten und generelle Zweifel an der Validität gutachterlicher Prognosen sowie ein fortbestehender Mangel an qualifizierten Gutachtern verlocken zur Anwendung vermeintlich einfach anwendbarer Prognoseinstrumente wie PCL-SV, HCR-20+3 oder SVR-20. Sie liefern einen numerischen Wert zur Quantifizierung des Rückfallrisikos und finden vermehrt Eingang in forensische Gutachten. Dabei birgt die Anwendung dieser Instrumente bei Kollektiven, für die bisher keine Überprüfung der Praktikabilität oder Validität vorliegt, erhebliche Fehlerquellen. Die hier vorgestellte Studie ist Teil einer größeren Kohortenstudie zur forensisch-psychiatrischen Risikoprognose und dient unter anderem der Untersuchung der Differenzialindikation der "Psychopathy Checklist Screening Version"(PCL-SV), des HCR-20+3 sowie des "Sexual Violence Risk 20" (SVR-20). Es wurden bei 64 strafrechtlichen Gutachten über Sexualstraftäter retrospektiv PCL-SV, HCR-20+3 und SVR-20 erhoben, nachdem primär die Risikoeinschätzung mit dem Basler "Kriterienkatalog zur Beurteilung des Rückfallrisikos besonders gefährlicher Straftäter" erfolgt war. PCL-SV, HCR-20+3 und SVR-20 wurden danach mit den auf dem Basler Kriterienkatalog basierenden gutachterlichen Beurteilungen verglichen, welche ihrerseits an Hand von Auszügen aus dem Strafregister validiert wurden. Die Ergebnisse der Studie lassen die Anwendung dieser Prognoseinstrumente (PCL-SV, HCR-20+3 und SVR-20) im deutschsprachigen Raum bei Sexualstraftätern angesichts des gegenwärtigen Wissensstands primär als wissenschaftliches Instrument sinnvoll erscheinen. Darüber hinaus spricht nichts gegen eine Anwendung als Checkliste im eigentlichen Sinne, ohne dabei eine Zuordnung zu einer Risikokategorie vorzunehmen. Eine Verwendung zur eigentlichen Quantifizierung der Risikoeinschätzung sollte aufgrund unserer Resultate auf die Gruppe der dissozialen und aggressiven Sexualstraftäterbeschränkt bleiben