Intentionally hastening death by withholding or withdrawing treatment = Absichtliche Beschleunigung des Todeseintritts bei Behandlungsverzicht und -abbruch

Bosshard, Georg ; Fischer, Susanne ; van der Heide, Agnes ; Miccinesi, Guido ; Faisst, Karin

In: Wiener klinische Wochenschrift, 2006, vol. 118, no. 11-12, p. 322-326

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    Zusammenfassung: ZWECK: Diese Arbeit soll empirische Daten zur Absicht des Arztes beim Behandlungsverzicht und -abbruch liefern und deren mögliche Bedeutung für die ethische Debatte diskutieren. METHODIK: Die präsentierten Daten basieren auf EURELD, einem breit angelegten Forschungsprojekt zur Erfassung medizinischer Entscheidungen am Lebensende in sechs europäischen Ländern. Ausgehend von einer fortlaufenden Zufallsstichprobe von Todesfallformularen war der zuständige Arzt anonym schriftlich zu den am Lebensende des Verstorbenen getroffenen Entscheidungen befragt worden. ERGEBNISSE: In allen sechs Ländern zusammengenommen gaben die befragten Ärzte in 45% aller Fälle von Behandlungsverzicht oder -abbruch am Lebensende eine ausdrückliche Absicht zur Beschleunigung des Todeseintrittes an. Höher als der Durchschnitt war dieser Prozentsatz in der Schweiz und in Schweden (52% resp. 51%), tiefer in Dänemark und Belgien (36% resp. 38%), im Mittelfeld lagen Italien und Holland (42% resp. 45%). Insgesamt war der Entscheid zum Verzicht oder Abbruch einer Dialyse oder einer Beatmung besonders häufig mit einer ausdrücklichen Absicht zur Beschleunigung des Todeseintrittes verbunden (57% resp. 54%), der Verzicht oder Abbruch von Krebstherapien besonders selten (34%). SCHLUSSFOLGERUNGEN: Ärztliche Entscheidungen zum Behandlungsverzicht oder -abbruch am Lebensende erfolgen in fast der Hälfte der Fälle mit der ausdrücklichen Absicht einer Beschleunigung des Todeseintrittes. Es findet sich keine klare Assoziation zwischen der ausdrücklichen Absicht zur Beschleunigung des Todeseintrittes und objektiven Merkmalen des jeweiligen Behandlungsabbruches oder -verzichtes wie der Wahrscheinlichkeit resp. dem Ausmaß eines lebensverkürzenden Effekts, der Unmittelbarkeit des Todeseintritts oder der zu erwartenden Belastung durch die mögliche lebenserhaltende Maßnahme. Diese Resultate wecken Zweifel an der Brauchbarkeit des Kriteriums der ärztlichen Absicht bei der moralischen Beurteilung von Entscheidungen zum Behandlungsverzicht und -abbruch