Sozialistische Frauenorganisationen, bürgerliche Frauenbewegung und der Erste Weltkrieg. Nationale und internationale Perspektiven = Socialist Women's Organizations, the Bourgeois Women's Movement and World War I. National and International Perspectives

Schulz, Kristina

In: Historische Zeitschrift, 2014, vol. 298, no. 3, p. 653-685

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    Summary
    Die Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs auf die Lebensbedingungen und Lebenschancen von Frauen stellen noch immer ein offenes Forschungsfeld dar. Ähnlich verhält es sich mit der Frage, welche Bedeutung dem Krieg in der Geschichte des seit den 1880er Jahren florierenden und zunehmend international vernetzten Feminismus zukommt. Der Erste Weltkrieg verschärfte das Dilemma, das, folgt man Joan W. Scott, für den Feminismus im Zeitalter des Nationalismus ebenso konstitutiv wie unlösbar war: Das Bekenntnis zur grenzenlosen Solidarität unter Frauen wurde durch die Aufforderung, sich bedingungslos hinter die Volksgemeinschaft zu stellen, auf die Probe gestellt. Vertreterinnen des bürgerlichen und des sozialistischen feministische Lagers fanden, so zeigt der Artikel, verschiedene Antworten auf dieses "Paradox des Feminismus". Die internationale sozialistische Frauenkonferenz in Bern im März 1915 und der internationale Frauenfriedenskongress in Den Haag Ende April 1915 sind Meilensteine in der Geschichte des feministischen Friedensengagements, an denen sich Grundzüge des bürgerlichen und des sozialistischen Feminismus und der damit einhergehenden Welt- und Gesellschaftsdeutungen ablesen lassen. Die Analyse der Stellungnahmen im Vorfeld und bei Ausbruch des Krieges offenbaren die Unmöglichkeit für die Vertreterinnen beider feministischer Flügel, im Namen des Weltfriedens gemeinsame Front gegen den Krieg zu machen. Der Artikel arbeitet Solidarität, Partizipation und Frieden als gemeinsame Leitwerte der feministischen Friedensbemühungen heraus, zeigt aber auch auf, dass sozialistische und bürgerliche Friedenskämpferinnen mit diesen Begriffen je unterschiedliche Inhalte verbanden. Auf dieser Grundlage war kein gemeinsames Vorgehen möglich