Ein paläoökologischer Beitrag zum besseren Verständnis der natürlichen Vegetation der Schweiz = A paleoecological contribution to assess the natural vegetation of Switzerland

Gobet, Erika ; Vescovi, Elisa ; Tinner, Willy

In: Botanica Helvetica, 2010, vol. 120, no. 2, p. 105-115

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    Summary
    Zusammenfassung: Wie natürlich oder naturnah ist eine Pflanzengemeinschaft oder eine Landschaft? Diese Frage ist von Interesse, wenn wir verstehen wollen, wie unsere heutigen Landschaften entstanden sind. Noch wichtiger ist sie aber, wenn abgeschätzt werden muss, welche Massnahmen zum Schutz und zur Bewahrung der Funktionen eines bestimmten Vegetations-, Umwelt- oder Landschaftstyps notwendig sind. Wir fassen hier die Erkenntnisse aus über 30 paläoökologischen Untersuchen zur postglazialen Vegetationsgeschichte in der Schweiz zusammen. Die Kombination von Pollen- und Makrorestauswertungen sowie die Untersuchung von mikro- und makroskopischen Holzkohle-Partikeln und der Vergleich mit Klimaindikatoren ermöglicht es, die Vegetationsentwicklung mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung zu rekonstruieren. Gemeinsame Trends bei der Vegetationsentwicklung gehen vorwiegend auf die Klimadynamik zurück, es gibt aber nennenswerte Unterschiede in Abhängigkeit vom Bodentyp, der menschlichen Aktivität (besonders unter Einsatz des Feuers) oder der Höhenlage. Verschiedene Waldtypen, die bis anhin unter den jeweiligen Klimabedingungen als natürlich betrachtet wurden, sind das Resultat menschlicher Landnutzung über die Jahrtausende, insbesondere ist die Dominanz einzelner weniger Baumarten in den Wäldern der Schweiz anthropogen bedingt. Umgekehrt wurden lokale, isolierte Bestände nicht als Relikte natürlicher Wälder betrachtet. Die Vielfalt der Waldvegetation hat also stark abgenommen, während dem die gesamte Biodiversität stark zugenommen hat, vorwiegend als Folge der Ausbreitung von Offenlandarten durch landwirtschaftliche Tätigkeiten. Die Paläoökologie hat also dazu beigetragen, die Natürlichkeit von Pflanzengesellschaften neu einzuschätzen und die Reaktionsweisen auf Störungen besser zu verstehen. In diesem Sinne stellen wir neue Projekte vor, in denen die Paläoökologie eingesetzt wird, um Kenntnisse zu gewinnen, die für Naturschutz, Waldbau und die Planung von Nationalparks unentbehrlich sind