Touristischer Geschichtsgebrauch. Über einige Merkmale neuer Vergangenheiten im 20. und 21. Jahrhundert = The Touristic Use of History. About the Transformation of the Past in the 20th and 20st Centuries

Groebner, Valentin

In: Historische Zeitschrift, 2013, vol. 296, no. 2, p. 408-428

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    Summary
    Es ist zumindest erstaunlich, dass die deutschen Forschungsdebatten über Gedächtnis- und Erinnerungskultur eine prominente Form modernen Geschichtsgebrauchs fast vollständig ignorieren: Tourismus. Dieser ist am Beginn des 21.Jahrhunderts aber keine Randerscheinung, sondern einer der wachstums- und umsatzstärksten globalen Dienstleistungssektoren. Tourismus ist eine rosa Fabrik; eine Bildermaschine, die aus Imaginationen buchstäblich ökonomische Wirklichkeiten erzeugt. Tourismus produziert auch neue Inanspruchnahmen von historischem Material, von Monumenten, Entwicklungen und Ereignissen aus der Vergangenheit; und die unterscheiden sich deutlich von ihren älteren nationalstaatlichen und religiösen Vorläufern. Einmal als touristische Attraktionen etabliert, beginnen sich die Überreste der Vergangenheit zu verändern, plastisch zu werden - und ein neues Eigenleben zu entwickeln. In dieser Postproduktion von Vergangenheit spielen die Verbindungen zu Affektbildern aus anderen Medien (Historienmalerei, Romanen und Filmen) offensichtlich eine wichtige Rolle. Für touristische Geschichtsnutzung, so scheint es, ist Artifizialität kein Hindernis, sondern ein Möglichkeitsreservoir. Welche neuen Erscheinungsformen von Vergangenheit entstehen dabei, und wie lassen sie sich beschreiben?